Wolf Haas: Wackelkontakt (Hanser)

Rezension von Julia Hartel

Vorsicht, spooky!

Buchcover des Romans „Wackelkontakt“ von Wolf Haas


So viel vorweg

An den Werken von Wolf Haas scheiden sich die Geister. Ich für meinen Teil habe sie erst vor ein paar Jahren für mich entdeckt, war aber schockverliebt und bin bis heute nachhaltig begeistert. Nach Eigentum, einem Titel, der etwas nachdenklicher daherkam, ist Wackelkontakt wieder genau so, wie man es von einem typischen Haas erwartet: mutig, witzig, anders.

Worum geht’s?

Um einen Trauerredner, der ein Buch über einen Mafia-Kronzeugen liest, und um einen Mafia-Kronzeugen, der ein Buch über einen Trauerredner liest. Die beiden Geschichten bewegen sich immer mehr aufeinander zu, bis schließlich … Nein, mehr darf ich eigentlich gar nicht verraten. Man könnte noch erwähnen, dass eine Steckdose mit Wackelkontakt eine wichtige Rolle spielt – aber auch hier gehe ich besser nicht ins Detail. Bei diesem Roman zu spoilern, wäre unverzeihlich!

Stilistisches et cetera

Anders als in den Brenner-Krimis verzichtet der Erzähler in Wackelkontakt darauf, die Leser/-innen ständig anzuquatschen. 😆 Die gewohnten dialektalen und umgangssprachlichen Elemente sind aber vorhanden. Franz Escher, der Trauerredner, achtet beispielsweise darauf, dass beim Zusammenbauen seiner geliebten Puzzles niemand „pickige“ Hände hat, und im Wortschatz der Teenagertochter des ehemaligen Mafiosos, die die Geschehnisse übrigens reichlich „spooky“ findet, gibt es unter anderem so erstaunliche Gebilde wie die „Keineahnunggroßcousine“.

Sprachwitz ist überhaupt das hervorstechende Merkmal. Wenn Eschers Kollegin Nellie Wieselburger ihre Dissertation mit „Be- und Enthauptungen in der Malerei von 1520 bis 1620“ überschreiben will oder wenn bei einer der Hauptfiguren statt eines gewöhnlichen Handyklingeltons ausgerechnet das Lied „Ruaf mi net o!“ ertönt und jemand über so was dann nicht lachen muss – ja, dann weiß ich auch nicht. Unlangweiliger als Wolf Haas kann man jedenfalls kaum schreiben. (Was ich auch immer sehr liebe, sind die Stellen, an denen jemand einen angefangenen Satz gar nicht. Aber das kommt leider in Wackelkontakt nicht so oft vor.)

Warum noch toll?

Weil sich die kleinen Frechheiten und Regelbrüche, die der Autor mit seinen ironischen Sprachspielchen begeht, auch im Großen wiederfinden. Erzählkonzept, Figuren, Schluss, all das passt in seiner Schrägheit perfekt zusammen (wobei ich einräumen muss, dass dem Schluss, der doch ziemlich „spooky“ geraten ist, etwas mehr Glaubwürdigkeit nicht geschadet hätte).

Nicht zuletzt setzt sich die Schrägheit auf formaler Ebene fort: Haas bringt es fertig, zwischen zwei Geschichten hin- und herzuswitchen, ohne auch nur eine einzige Leerzeile zu setzen. Der Roman ist in zwei große Kapitel eingeteilt – nämlich OFF und ON – und läuft ansonsten in einem durch. Das muss man sich erst mal trauen! Wahrscheinlich bereitet mir dieses Schreiben wider alle Konventionen deshalb so eine diebische Freude, weil ich als Lektorin im Normalfall auf das Einhalten genau solcher Konventionen achten muss.

Wem gefällt’s?

Wie oben geschrieben, ist der Roman in typischer Wolf-Haas-Manier verfasst. Wer diesen lakonischen Humor mag, sollte das Buch daher besser nicht in Wartezimmer, U-Bahnen oder an sonstige öffentliche Orte mitnehmen. Denn dort muss man sich dann die ganze Zeit das Lachen verbeißen, und das kann anstrengend werden – ich habe es höchstpersönlich getestet. 😅