Anthony McCarten: Going Zero (Diogenes)

Rezension von Julia Hartel

Buchcover Going Zero von Anthony McCarten

Schwere Zeiten für böse Buben

So viel vorweg

Ich hätte auf Going Zero von Anthony McCarten gern eine Hymne geschrieben, weil ich die Plot-Idee so klasse fand. Während des Lesens verwandelte sich meine anfängliche Euphorie dann eher in so etwas wie „freundliche Gewogenheit“. Dass ich den Roman trotzdem hier vorstellen möchte, liegt an der anspruchsvollen philosophischen Frage, die ihm zugrunde liegt. Aber der Reihe nach.

Worum geht’s?

Sämtlichen Kriminellen weltweit soll endlich das Handwerk gelegt werden. Zu diesem Zweck hat die CIA ein gigantisches Überwachungsprojekt aufgesetzt. Mit an Bord: Hightech-Tycoon Cy Baxter mit seinem fiktiven Social-Media-Unternehmen „WorldShare“. Neben einem ganzen Heer von Hackern kann er zur Überwachung all die Daten beisteuern, die ihm die Menschen über sein soziales Netzwerk zur Verfügung stellen.

Nur ein gelungener Betatest trennt Baxter von einem Zehnjahresvertrag mit der CIA und den gemeinsamen internationalen Aktivitäten. Ihm und seinem Team muss es gelingen, zehn ausgewählte Testpersonen aufzuspüren, die ihre digitalen wie analogen Spuren auf der Welt möglichst auf null bringen und sich so ungefähr einen Monat lang vor dem System versteckt halten sollen.

Eine dieser sogenannten „Zeros“ ist die unscheinbar wirkende Bibliothekarin Kaitlyn Day. Überraschenderweise entpuppt ausgerechnet sie sich als Cy Baxters härteste Gegnerin. Gelingt es ihm nicht, sie vor Ablauf der Frist zu schnappen, erhält sie drei Millionen Dollar. Doch auf Geld scheint sie es gar nicht abgesehen zu haben. Was treibt sie an?

Stilistisches et cetera

Going Zero ist solide geschrieben und wurde von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié ebenso solide übersetzt. Zeitform Präsens, recht knackige Sätze, die Kapitelüberschriften wie ein Countdown zum Fristende angelegt: „29 Tage 20 Stunden“, „28 Tage 5 Stunden“ und so fort. Auf diese Weise wird man als Leser/-in schnell mitten ins Geschehen geholt und verfolgt für eine ganze Weile gespannt, wie es den Zeros in ihren Verstecken ergeht.

Dabei ist es beinahe erstaunlich, dass man eher ihnen die Daumen drückt als dem System. Schließlich sind Baxters Motive für das Beobachten seiner Mitmenschen doch untadelig – ihm geht es um Verbrechensvorbeugung:

„Unser Ziel ist also letzten Endes etwas geradezu lächerlich Einfaches: Wir machen das Leben für die bösen Buben ein gutes Stück schwerer und für die netten Jungs ein gutes Stück leichter, und wir tun das mit dem Besten, was wir an Technik zur Verfügung haben.

(S. 26)

Klingt doch erst mal nicht schlecht. Würden die heute vorhandenen technischen Überwachungsmöglichkeiten in so großem Stil ausgeschöpft wie im Buch beschrieben, könnten Terroranschläge verhindert und die Kriminalität drastisch reduziert werden. Wer sich nichts zuschulden kommen lässt, braucht ja auch keine Angst zu haben. Andererseits stoßen wir hier auf die eingangs erwähnte philosophische Frage: Wie wertvoll ist Freiheit – vor allem im Verhältnis zu Sicherheit?

Eine letztgültige Antwort liefert der Roman nicht. Aber er gibt wichtige Denkanstöße, vor allem im Hinblick darauf, was wir so alles im Netz von uns preisgeben. Für viele Menschen ist Privatsphäre wohl tatsächlich „passé“, wie Baxter es ausdrückt. Wieso das so bereitwillig hingenommen wird? Er sieht es glasklar:

„Weil beobachtet zu werden … das fühlt sich ein klein wenig so an, wie geliebt zu werden.

(S. 279)

Warum bin ich trotz allem nicht restlos begeistert?

Zum einen ist das Buch einfach ein My zu lang. Die ersten gut 230 der insgesamt 445 Seiten lesen sich ganz flüssig weg, aber danach hatte offenbar niemand mehr so recht Lust zu kürzen, wodurch der Spannungsbogen leider den einen oder anderen Knacks bekommt. Und das, obwohl es sogar noch eine unerwartete inhaltliche Wendung gibt!

Zum anderen bleiben die Figuren seltsam eindimensional. Besonders Cy Baxter wirkt wie aus dem „Gewissenlose Manager“-Katalog ausgeschnitten. Doch auch von keiner der anderen Hauptpersonen fiel mir beim Umschlagen der letzten Seite der Abschied so richtig schwer.

Wem gefällt’s?

Going Zero bietet weder den Nervenkitzel eines Fitzek-Krimis noch die psychologische Tiefe eines Maigret-Romans. Der Fokus liegt eher auf Systemkritik. Somit eignet sich das Buch für Fans von Polit- und Spionage-Thrillern sowie für Menschen, die sich für die Themen Datenschutz und Datensicherheit interessieren.

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