Arno Frank: Seemann vom Siebener (Tropen)

Rezension von Julia Hartel

Cover des Romans Seemann vom Siebener von Arno Frank

Gerade noch ein Sommerbuch

So viel vorweg

Für die, die es nicht wissen: Der „Seemann“ ist eine Variante des Kopfsprungs, bei der die Arme auf dem Rücken oder am Körper angelegt bleiben. Mir persönlich war das neu, aber ich will es mir mal verzeihen, da der Duden diese zusätzliche Wortbedeutung auch nicht kennt. 😌 Der „Siebener“ wiederum ist eine der Plattformen eines Sprungturms, die sich jedoch streng genommen gar nicht auf 7, sondern auf 7,5 Metern Höhe befindet. Auch das wusste ich nicht, bis ich mir Arno Franks Seemann vom Siebener zu Gemüte geführt hatte. Lesen bildet eben!

Worum geht’s?

Es ist der letzte Freitag der Sommerferien, und die Menschen in Ottersweiler sehnen sich nach Abkühlung. So zieht es viele von ihnen ins örtliche Freibad, das voller Geschichten und Erinnerungen steckt. Josefine und Lennart zum Beispiel waren schon während ihrer Schulzeit regelmäßig hier – damals allerdings noch gemeinsam mit Max. Isobel, deren verstorbener Mann das Bad einst geplant hat, kommt sowieso täglich her, wobei sie sich in letzter Zeit immer häufiger in der Vergangenheit verheddert. Kiontke, der Bademeister, ist ebenfalls stets auf dem Gelände anzutreffen. Dabei finden manche Leute, dass er nach dem Unglück damals seinen Job hätte wechseln sollen. Und auch für die namenlos bleibende Ich-Erzählerin mit dem frisch rasierten Kopf hat das Bad eine besondere Bedeutung. Sie hat hier nämlich heute etwas vor – wird sie es schaffen?

Zuerst die Minuspunkte

Obwohl Seemann vom Siebener ohne Frage ein Roman mit Tiefgang ist, war ich nach der Lektüre teilweise unzufrieden. Das lag nicht daran, dass das Erzähltempo aufgrund der zahlreichen Rückblenden vergleichsweise langsam ist; der Punkt war eher, dass mir zu vieles angerissen und dann doch nicht zu Ende gebracht wurde. Manche Handlungsstränge scheinen etwas zu „versanden“. Zudem begibt sich der Autor teilweise ein gutes Stück hinunter in die Abgründe der menschlichen Psyche, verschweigt dabei aber Hintergrundinformationen (vor allem zur Ich-Erzählerin und ihrer Mutter). Möglich, dass deshalb manche Handlungen seiner Figuren nicht ganz glaubwürdig wirken. Natürlich muss in einem Roman keineswegs immer alles aufgelöst werden, aber ich wäre mitunter gern mehr an die Hand genommen worden, um die Geschichte besser zu verstehen.

Und trotzdem …

… ist das Buch definitiv lesenswert! Die vielen Geheimnisse, die die Protagonistinnen und Protagonisten mit sich herumtragen, sorgen für Spannung, ihre (Selbst-)Reflexionen für den erwähnten Tiefgang. Auch das Setting – das Freibad der fiktiven Kleinstadt als einziger Handlungsschauplatz, an dem an nur einem Tag mehrere Stränge zusammenlaufen – ist gut gewählt.

Nicht zuletzt überzeugt mich Arno Franks starke Sprache, die sachlich und bildhaft zugleich ist und auf den journalistischen Hintergrund des Autors hindeutet. Besonders gut gefällt mir die Idee, im Falle der meisten Figuren die personale Perspektive zu wählen und nur eine von ihnen in Ich-Form erzählen zu lassen. Vor allem bei ihr sitzt jedes Wort. Doch auch Lennart, der als erfolgreicher Fotograf weit herumgekommen ist, bringt die Dinge gut auf den Punkt:

Lennart lässt den Blick über das Freibad schweifen. Alles ist so, wie es war. Gleiche Größe, gleiches Gewicht. Wie kann das sein? Dort, die alte Linde, eine lautlose Explosion in Grün, ist sogar noch größer geworden in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren. Unheimlich, denkt er, wie wir als Kinder höchstens in Monaten rechnen, später dann in Jahren, irgendwann sogar in Jahrzehnten. Und plötzlich ist ein Vierteljahrhundert verstrichen […]. Kein Wunder, dass man den Moment so gerne festhalten möchte.

(S. 57)

Wem gefällt’s?

Im Hinblick auf die episodische Erzählstruktur – eine Technik, die ich sehr mag – hat mich Seemann vom Siebener ein bisschen an Katharina Hagenas Geräusch des Lichts erinnert. Allerdings ist bei Arno Frank das Ende deutlich offener gehalten. Insgesamt ein Buch, das Stoff zum Nachdenken liefert, aber trotzdem gerade noch als Sommerbuch durchgeht.

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