Viel gelesen, nur teilweise profitiert

Mein durchwachsener Bücherherbst

Dass es in diesem Blog in letzter Zeit so ruhig war, hat selbstverständlich nichts damit zu tun, dass ich nicht gelesen hätte – so etwas kommt bei mir nicht vor. 🙂 Vielmehr konnten mich die drei Neuerscheinungen, die ich mir seit dem letzten Beitrag ausgesucht habe, nicht so richtig vom Hocker reißen. Sehr viel lohnenswerter war da der Griff zu einem vergleichsweise alten Werk, und auch das nochmalige Lesen eines anderen nicht mehr ganz neuen Titels erwies sich als ausgesprochen erfrischend! Diesmal also eine kleine gemischte Tüte mit unterschiedlichsten Büchern von „sehr empfehlenswert“ bis „geht so“.

Marlen Haushofer_Die Wand

Marlen Haushofer: Die Wand (Ullstein, erstmals erschienen 1963)
Die Wand von Marlen Haushofer habe ich mir besorgt, nachdem mir das Buch kurz hintereinander aus zwei völlig verschiedenen Richtungen empfohlen worden war. Es geht darin um eine Frau, die infolge eines rätselhaften Ereignisses gezwungen ist, allein mit ihren Tieren in den Bergen zu überleben. Äußerlich passiert scheinbar wenig, doch der Roman entfaltet eine unglaubliche Sogwirkung, sodass ich ihn innerhalb kürzester Zeit durchgelesen hatte. Nicht umsonst wird dieser Titel seit Jahrzehnten immer wieder aufgelegt.

Anita Augustin: Alles Amok (Ullstein, 2014)
Jakob verdingt sich als Profi-Demonstrant – eine Tätigkeit, von der es sich nicht gerade komfortabel leben lässt. Dann scheint es in beruflicher Hinsicht plötzlich bergauf zu gehen, doch leider entpuppt sich der neue Chef als Tyrann der übelsten Sorte. Außerdem hat Jakob ein ganz spezielles privates Problem … Alles Amok ist definitiv ein heftiges Buch: fies, absurd, extrem religionskritisch und teilweise fast schon psychothrillerhaft. Zugleich besitzt es einen sehr ernsten Kern und ist mit seinen vielen skurrilen Ideen und der clever konstruierten Geschichte wirklich etwas Besonderes. Für mich auch beim zweiten Lesen wieder beeindruckend.

Andreas Moster: Kleine Paläste (Arche Verlag, 2021)
Okay, Kleine Paläste hätte in meinem kleinen Ranking genauso gut auf Platz zwei stehen können. Moster erzählt darin die Geschichte zweier Nachbarsfamilien, die durch eine vertuschte Straftat miteinander verbunden sind. Dank der ungewöhnlichen Erzählperspektive ist das durchaus spannend gemacht! Doch in der Hauptsache behandelt der Roman toxische Männlichkeit und weibliches Ausgeliefertsein. Hätte ich nicht mit Doris Knechts Die Nachricht kurz zuvor etwas thematisch Verwandtes gelesen, hätte mich der Titel wahrscheinlich mehr begeistert. Zudem gehen einzelne Szenen gewaltig unter die Haut. Nicht geeignet als Gegenmittel bei Herbst- und Winterblues!

Ferdinand Schmalz: Mein Lieblingstier heißt Winter (S. Fischer, 2021)
Bevor man sich diesen Roman besorgt, sollte man sich unbedingt die Leseprobe auf der Verlagswebsite zu Gemüte führen (hätte ich besser auch tun sollen). Denn der Klappentext verspricht eine Art Krimikomödie: Der Tiefkühlkostvertreter Hans Schlicht soll eine Leiche transportieren, findet diese jedoch nicht am verabredeten Ort vor und muss sich nach ihr auf die Suche machen. Warum die Leseprobe? Weil der österreichische Autor Ferdinand Schmalz sein Werk in einer eigenen, mundartlich gefärbten Kunstsprache verfasst hat: „Und fallen, fallen härter drauf da auf den Kopf von ihm, dem Schlicht, die Sonnenstrahlen, härter drauf als sonst.“ So geht das von der ersten bis zur letzten Seite. Ob da bei irgendjemandem Lesefreude aufkommt?! Bei mir ist sie ausgeblieben.

John Boyne: Maurice Swift – Die Geschichte eines Lügners (Piper, 2021)
Maurice Swift ist ein gefeierter Schriftsteller, hat aber nur dadurch Erfolg, dass er anderen die Ideen klaut. Dabei geht er über Leichen, wobei die Literaturszene sowieso fast ausschließlich aus selbstverliebten, gewissenlosen Subjekten besteht. Etwas undifferenziert und an den Haaren herbeigezogen? Genau, das fand ich eben auch. Hinzu kommt eine teilweise doch recht vulgäre Ausdrucksweise. Die Geschichte eines Lügners ist ein Buch, das man lesen kann, wenn man noch nicht allzu viele Hochstapler-Krimis der Sorte Catch me if you can oder Der talentierte Mr. Ripley kennt. Wer es nicht liest, hat jedoch nichts verpasst.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert