Buchblog

Viel gelesen, nur teilweise profitiert

Mein durchwachsener Bücherherbst

Dass es in diesem Blog in letzter Zeit so ruhig war, hat selbstverständlich nichts damit zu tun, dass ich nicht gelesen hätte – so etwas kommt bei mir nicht vor. 🙂 Vielmehr konnten mich die drei Neuerscheinungen, die ich mir seit dem letzten Beitrag ausgesucht habe, nicht so richtig vom Hocker reißen. Sehr viel lohnenswerter war da der Griff zu einem vergleichsweise alten Werk, und auch das nochmalige Lesen eines anderen nicht mehr ganz neuen Titels erwies sich als ausgesprochen erfrischend! Diesmal also eine kleine gemischte Tüte mit unterschiedlichsten Büchern von „sehr empfehlenswert“ bis „geht so“.

Marlen Haushofer_Die Wand

Marlen Haushofer: Die Wand (Ullstein, erstmals erschienen 1963)
Die Wand von Marlen Haushofer habe ich mir besorgt, nachdem mir das Buch kurz hintereinander aus zwei völlig verschiedenen Richtungen empfohlen worden war. Es geht darin um eine Frau, die infolge eines rätselhaften Ereignisses gezwungen ist, allein mit ihren Tieren in den Bergen zu überleben. Äußerlich passiert scheinbar wenig, doch der Roman entfaltet eine unglaubliche Sogwirkung, sodass ich ihn innerhalb kürzester Zeit durchgelesen hatte. Nicht umsonst wird dieser Titel seit Jahrzehnten immer wieder aufgelegt.

Anita Augustin: Alles Amok (Ullstein, 2014)
Jakob verdingt sich als Profi-Demonstrant – eine Tätigkeit, von der es sich nicht gerade komfortabel leben lässt. Dann scheint es in beruflicher Hinsicht plötzlich bergauf zu gehen, doch leider entpuppt sich der neue Chef als Tyrann der übelsten Sorte. Außerdem hat Jakob ein ganz spezielles privates Problem … Alles Amok ist definitiv ein heftiges Buch: fies, absurd, extrem religionskritisch und teilweise fast schon psychothrillerhaft. Zugleich besitzt es einen sehr ernsten Kern und ist mit seinen vielen skurrilen Ideen und der clever konstruierten Geschichte wirklich etwas Besonderes. Für mich auch beim zweiten Lesen wieder beeindruckend.

Andreas Moster: Kleine Paläste (Arche Verlag, 2021)
Okay, Kleine Paläste hätte in meinem kleinen Ranking genauso gut auf Platz zwei stehen können. Moster erzählt darin die Geschichte zweier Nachbarsfamilien, die durch eine vertuschte Straftat miteinander verbunden sind. Dank der ungewöhnlichen Erzählperspektive ist das durchaus spannend gemacht! Doch in der Hauptsache behandelt der Roman toxische Männlichkeit und weibliches Ausgeliefertsein. Hätte ich nicht mit Doris Knechts Die Nachricht kurz zuvor etwas thematisch Verwandtes gelesen, hätte mich der Titel wahrscheinlich mehr begeistert. Zudem gehen einzelne Szenen gewaltig unter die Haut. Nicht geeignet als Gegenmittel bei Herbst- und Winterblues!

Ferdinand Schmalz: Mein Lieblingstier heißt Winter (S. Fischer, 2021)
Bevor man sich diesen Roman besorgt, sollte man sich unbedingt die Leseprobe auf der Verlagswebsite zu Gemüte führen (hätte ich besser auch tun sollen). Denn der Klappentext verspricht eine Art Krimikomödie: Der Tiefkühlkostvertreter Hans Schlicht soll eine Leiche transportieren, findet diese jedoch nicht am verabredeten Ort vor und muss sich nach ihr auf die Suche machen. Warum die Leseprobe? Weil der österreichische Autor Ferdinand Schmalz sein Werk in einer eigenen, mundartlich gefärbten Kunstsprache verfasst hat: „Und fallen, fallen härter drauf da auf den Kopf von ihm, dem Schlicht, die Sonnenstrahlen, härter drauf als sonst.“ So geht das von der ersten bis zur letzten Seite. Ob da bei irgendjemandem Lesefreude aufkommt?! Bei mir ist sie ausgeblieben.

John Boyne: Maurice Swift – Die Geschichte eines Lügners (Piper, 2021)
Maurice Swift ist ein gefeierter Schriftsteller, hat aber nur dadurch Erfolg, dass er anderen die Ideen klaut. Dabei geht er über Leichen, wobei die Literaturszene sowieso fast ausschließlich aus selbstverliebten, gewissenlosen Subjekten besteht. Etwas undifferenziert und an den Haaren herbeigezogen? Genau, das fand ich eben auch. Hinzu kommt eine teilweise doch recht vulgäre Ausdrucksweise. Die Geschichte eines Lügners ist ein Buch, das man lesen kann, wenn man noch nicht allzu viele Hochstapler-Krimis der Sorte Catch me if you can oder Der talentierte Mr. Ripley kennt. Wer es nicht liest, hat jedoch nichts verpasst.

Doris Knecht: Die Nachricht (Hanser Berlin)

Rezension von Julia Hartel

Die dunkelste Seite von Social Media

So viel vorweg

Ich will ehrlich sein – nach den ersten paar Absätzen von Die Nachricht dachte ich: „O nee, was hab ich mir denn da ausgesucht?! Das ist ja schon wieder eine lebenserfahrene Ich-Erzählerin, die die ganze Zeit nur ihre Gefühle und ihre Beziehungen reflektiert!“ Doch der Verdruss währte kurz: Bereits wenig später hatte ich die Heldin nicht nur ins Herz geschlossen, sondern war auch absolut gefesselt von ihrer Geschichte – und ihrem rätselhaften Problem.

Worum geht’s?

Ruth Ziegler ist Drehbuchautorin und wohnt mit ihrem jüngeren Sohn Benni in einem Haus auf dem Land in der Peripherie Wiens. Ihr Mann Ludwig ist vor drei Jahren bei einem Skiunfall tödlich verunglückt. Sie hat diesen Schicksalsschlag einigermaßen verkraftet, ist durchaus patent, arbeitet fleißig, pflegt ihre Freundschaften, kümmert sich um ihre Stieftochter und deren Baby und ist ziemlich aktiv auf Social Media.

Plötzlich ploppt aus dem Nichts eine anonyme und sehr beunruhigende Nachricht im Postfach ihres Facebook-Accounts auf: „Weisst du eigentlich von der Affaire deines prächtigen Ehemannes?“ Obwohl Ruth tatsächlich davon weiß, bekommt sie Angst, zumal es nicht bei dieser einen Botschaft bleibt und bald auch ihre Freunde und Angehörigen auf diversen Kanälen verunglimpfende, hasserfüllte und beleidigende Nachrichten über sie erhalten. Bald kreist ihr Leben fast nur noch um eine Frage: Welche Person aus ihrem Umfeld schreibt ihr all diese furchtbaren Sachen?

Stilistisches et cetera

Grundsätzlich wird, ähnlich wie im kürzlich vorgestellten Daheim, wenig Wert auf eine besonders geschliffene Ausdrucksweise gelegt. Hier wie dort scheint es den Protagonistinnen wichtiger zu sein, genau hinzuschauen und die Dinge schonungslos beim Namen zu nennen. Das zeigt sich beispielsweise, wenn es um Ruths Bekannte Iris geht,

… die sich so sehr wünschte, dass ich wieder einen Kerl hätte, einen »Partner«, ein Wort, das ich nicht ertrug, weil in amerikanischen Kitschserien Väter ihre Söhne immer so ansprachen: Partner. Was sollte das? (…) Es regte mich jedes Mal auf. Iris wollte mich wieder als Teil eines Paars sehen, für Paarabende, und damit sich einer um mich kümmerte, und weil sie selber panische Angst davor hatte, allein zu enden.

(S. 229 f.)

Da in der Geschichte soziale Medien eine zentrale Rolle spielen, wird im Text logischerweise das entsprechende „Fachvokabular“ verwendet, das heißt, es wird darin ganz selbstverständlich „geblockt“, „geaddet“, „entfolgt“ etc. Die zum Teil verstörenden Nachrichten streut die Autorin immer wieder in den Text ein, wodurch gut zum Ausdruck kommt, in welchem Maß sie Ruths Gedanken beherrschen. Gelegentlich – etwa in den Dialogen – schimmert ein wenig der Handlungsschauplatz Österreich durch. Allerdings werden österreichische Wendungen und Begriffe auch nicht inflationär verwendet, sondern gerade so, dass es eh charmant ist. 😉

Warum noch toll?

Mit den Aspekten Stalking und psychische Gewalt in sozialen Medien verarbeitet Doris Knecht hochaktuelle Probleme und zeigt vor allem auf, wie schrecklich es ist, wenn Betroffene diesbezüglich nicht ernst genommen werden. Andererseits werden im Buch auch die positiven Seiten des Internets herausgestellt: das Netz als Ort des Austauschs, als Inspirationsquelle, als Chance, Schwarmintelligenz zu nutzen und den eigenen Horizont zu erweitern.

Ähnlich differenziert beschreibt der Roman, obwohl er klar der feministischen Literatur zuzuordnen ist, wie herausfordernd beispielsweise eine gleichberechtigte Rollenverteilung in einer Partnerschaft sein kann. Dies trifft selbst auf Ruth und Ludwig zu, die in dieser Hinsicht nach außen hin immer ausgesprochen modern aufgetreten sind:

In der Unsichtbarkeit unseres Hauses fand Ludwig, dass es einer Frau, die den ganzen Tag herumsaß und schrieb, nicht schaden könnte, davon mal Pause zu machen, Kochpause, Aufräumpause, Kloputzpause. Es nervte mich, dass er meine Arbeit und damit mich nicht ernst nahm, mehr noch: Es machte mich wütend. (…) Nach Ludwigs Tod wurde mir das Ordnungmachen, das ich ihm zu seinen Lebzeiten nicht gegönnt hatte, zur Gewohnheit.

(S. 110 f.)

Wem gefällt’s?

Die Nachricht ist ein spannendes Buch und dürfte außerdem allen zusagen, denen der Schutz von Frauen – online wie offline – ein wichtiges Anliegen ist und die sich gern kritisch, aber differenziert mit Social Media auseinandersetzen.

Ayelet Gundar-Goshen: Wo der Wolf lauert (Kein & Aber)

Rezension von Julia Hartel

Ayelet Gundar-Goshen: Wo der Wolf lauert (Kein & Aber)

Wie gut kennst du deine engsten Vertrauten?

So viel vorweg

Es mag ein Armutszeugnis sein, aber wenn es um Literatur aus Israel geht, wäre mir bisher nur Ephraim Kishon eingefallen. Ihn habe ich als Jugendliche eine Zeit lang leidenschaftlich gern gelesen. Mit Wo der Wolf lauert habe ich meinen Lesehorizont nun endlich erweitert, und zwar auch in Sachen Aktualität. Denn die Kishon-Bücher waren ja, als ich jung war (lang ist’s her!), auch schon nicht mehr ganz taufrisch. Nun also eine topaktuelle israelische Neuerscheinung! Ins Deutsche übersetzt wurde der Text von Ruth Achlama.

Worum geht’s?

Lilach und Michael Schuster haben ihre kriegsgebeutelte Heimat Israel verlassen, um in den vermeintlich sicheren USA ihren Sohn Adam großzuziehen. Lange Zeit sieht es so aus, als hätten sie die perfekte Entscheidung getroffen: Adam scheint ganz behütet aufwachsen zu können, und durch Michaels hervorragend bezahlten Job in Palo Alto im Silicon Valley ist die Familie zu einigem Wohlstand gekommen. Doch dann wird auf die örtliche Synagoge ein Terroranschlag verübt. Die jüdische Gemeinde ist geschockt und zutiefst verunsichert. Adam, inzwischen 16 Jahre alt, nimmt an einem Selbstverteidigungskurs teil. Kurz darauf bricht auf einer Party ein muslimischer Mitschüler von Adam tot zusammen. In Lilach regt sich ein schrecklicher Verdacht: Hat Adam etwas mit diesem Todesfall zu tun? Und kann man eigentlich dem Leiter des Selbstverteidigungskurses, Uri Ziv, so blind vertrauen, wie Michael glaubt?

Stilistisches et cetera

Ayelet Gundar-Goshen lässt ihre Heldin Lilach all diese Geschehnisse, die eigenen Gefühle und auch ihr Umfeld scharfsinnig und schonungslos beschreiben:

Da, wo wir lebten, sagten die Menschen einander alles außer der Wahrheit. Der Kuchen, den du Freunden zum Abendessen mitbrachtest, war unweigerlich amazing, auch wenn du aus Versehen Salz statt Zucker reingeschüttet hattest. Und die Kinder waren immer wonderful, auch wenn sie schon einen Monat lang nicht mehr mit dir geredet hatten.

(S. 188)

Vor allem aber gelingt es der Autorin, der Leserschaft zumindest eine gewisse Einfühlung in die Ängste jüdischer Menschen vor antisemitisch motivierten Gewalttaten zu ermöglichen:

Wir gingen in ein italienisches Restaurant. (…) Mit einem Schlag fielen mir die Stadtbusfahrten in Haifa ein, zur Zeit der Terroranschläge, als jeder Zusteigende als potenzieller Terrorist galt. (…) Ich blickte nach rechts und links, achtete nervös auf jede Regung. Wo der Wolf lauert.

(S. 280 f.)

Trotzdem – und das hat mir mit am besten gefallen – findet in dem Roman keine Schwarz-Weiß-Malerei statt. Vielmehr klingt durch, dass potenziell toxische Ideologien vor keiner Personengruppe und keiner Landesgrenze haltmachen; dass sie besonders für junge Menschen unglaublich gefährlich sein können; und dass es somit verfehlt ist, in den Kategorien „Täter“ und „Opfer“ zu denken. Vielleicht steht der „lauernde Wolf“ letztlich gar nicht nur für den vermummten Attentäter mit der Machete, sondern auch für Hass, Gewalt und Krieg selbst, für die Abwesenheit von Toleranz und für jegliche Form von politischem oder religiösem Fanatismus.

Warum noch toll?

Weil die Geschichte bis zum Schluss spannend bleibt und die Figuren psychologisch sehr gut ausgearbeitet sind. Nicht nur in Bezug auf Uri, der schnell zu Adams großem Idol und zu einem engen Freund der Familie wird, taucht bald die Frage auf, wie gut man einen Menschen eigentlich kennen kann. Gemeinsam mit Lilach tappt man auch im Dunkeln, was Adams mögliche Verwicklung in den Tod seines Mitschülers angeht. Der mütterliche Schmerz darüber, dass sich der erwachsen werdende Sohn immer mehr ablöst und verschließt, die Angst, ihn ganz direkt zu fragen, was er weiß oder vielleicht getan hat – all das wird glaubwürdig vermittelt. Dwayne, ein Bekannter von Lilach, formuliert es so:

Weißt du, früher mal dachte ich, die größte Unbekannte im Leben seien unsere Eltern. Heute meine ich, die größte Unbekannte im Leben der Menschen sind ihre Kinder.

(S. 135)

Wem gefällt’s?

Wo der Wolf lauert ist eines der Bücher, die sich schwer mit anderen vergleichen lassen. Ich empfehle es Leserinnen und Lesern, die sich für das Thema Jüdisches Leben in den USA interessieren, sich für Psychogramme begeistern können und es auf sprachlicher Ebene lieber direkt als poetisch mögen.

Judith Hermann: Daheim (S. Fischer)

Rezension von Julia Hartel

Judith Hermann: „Daheim“

Der Preis der Freiheit

So viel vorweg

Nachdem ich in den letzten Wochen lektüretechnisch gleich zweimal kräftig danebengegriffen hatte (die zugehörigen Unmutsäußerungen befinden sich am Ende dieses Beitrags), wollte ich beim nächsten Versuch auf Nummer sicher gehen. Deshalb entschied ich mich für einen Titel, der für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war und bereits viel Lob bekommen hat: Daheim von Judith Hermann. Dass dieser Roman schon länger auf dem Markt ist als das Buch aus meinem vorigen Post, wird ja hoffentlich niemanden hier stören. 😉

Worum geht’s?

Eine 47 Jahre alte Frau versucht einen Neuanfang: Sie hat sich von ihrem Mann Otis scheiden lassen und ist ans Meer gezogen, wo ihr Bruder lebt. Dort oben, in einem baufälligen Häuschen an der nicht genauer definierten „östlichen Küste“, will sie allein sein, zu sich selbst finden und wahrscheinlich auch den Auszug ihrer erwachsenen Tochter Ann verarbeiten. Ihren Lebensunterhalt verdient sie als Kellnerin in der Hafenkneipe ihres Bruders. Mit Otis steht sie nach wie vor in oft wehmütigem Briefkontakt. Gleichzeitig ergeben sich bei ihr im Lauf der Zeit Beziehungen zu neuen Menschen. Wird die Heldin im Norden heimisch werden? Oder wird sie ihre mühsam errungene Freiheit über alles stellen?

Stilistisches et cetera

Sprachlich ist das Buch eigen: Es geht darin viel um Gefühle; trotzdem ist es „herb“ im Ton, die Sätze sind kurz und nüchtern, die Beschreibungen zielsicher. Dazu ist eine gewisse Nachlässigkeit spürbar. Besonders die Dialoge dürften bei allen Deutschlehrern und Lektorinnen die Hand im ersten Moment reflexartig in Richtung Rotstift zucken lassen:

Was, sagte Otis manchmal zu mir, hast du Ann eigentlich beigebracht.
Ich sagte, ich habe ihr beigebracht, höflich zu sein.
Alles andere ließ ich unerwähnt. Das Schwimmen. Das Schweigen.

(S. 126)

Das ist ja nun ganz und gar nicht die Interpunktion in der wörtlichen Rede, die man in der Schule lernt, angefangen beim fehlenden Fragezeichen! Aber sie passt zu den Figuren und der Art, wie sie interagieren. Vielleicht soll auf diese Weise auch der Eindruck verstärkt werden, dass hier eine Person einfach drauflosschreibt, weil sie keinen Sinn darin sieht, nach Perfektion zu streben. Das heißt übrigens nicht, dass die Erzählerin sich nicht hin und wieder bildhaft ausdrücken würde – es wird nur eben nicht lange poliert:

In der Kneipe kann ich meinen Bruder sich selbst überlassen, ihn auf seinem Platz hinter der Kaffeemaschine alleine lassen, er sitzt auf seinem Barhocker wie ein mürber und zerrupfter Vogel, der letzte seiner Art.

(S. 77)

Warum noch toll?

Daheim ist ein leiser Roman, der tief unter die Oberfläche taucht. Er behandelt die Weggabelungen des Lebens, die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt, das Älterwerden, die Trauer um vergangenes Glück, die Unzuverlässigkeit von Erinnerungen, das Loslassen, die Unabhängigkeit und ihren Preis.

Beim Lesen tauchen Fragen auf: Wieso ist die Protagonistin nicht bei ihrem kauzigen, aber freundlichen und klugen Ehemann geblieben? Wieso strebt sie nicht nach mehr beruflicher Erfüllung? Wieso lässt sie sich mit diesem Schweinebauern ein, den sie kaum kennt? Das alles ist schwer zu verstehen, aber irgendwie schafft es die Autorin, dass sich der Weg, den ihre – übrigens namenlos bleibende – Heldin einschlägt, letztlich passend anfühlt.

Wem gefällt’s?

Menschen, die gern viel nachdenken und ein Faible für die landschaftlichen Reize Norddeutschlands haben. Ein wenig hat mich Daheim an Vom Schlafen und Verschwinden von Katharina Hagena erinnert: Auch dort reflektiert eine Ich-Erzählerin ihr bisheriges Leben und die Beziehung zu ihrer selbstständig gewordenen Tochter. Und auch dort werden in aus der Erinnerung zitierten Dialogen keine Anführungszeichen gesetzt. Möglich, dass es da bei den Zielgruppen gewisse Überschneidungen gibt. 😉

***

Ab hier wird geschimpft

Na, Hand aufs Herz: Wer ist alles gleich hierher gesprungen, ohne erst den Haupttext zu lesen? Ha, erwischt! 😀 Aber ich versteh’s ja: Gemecker liest sich amüsanter als Lob (und schreibt sich meist auch leichter). Also los:

Enttäuschung Nummer eins war Das Jahresbankett der Totengräber von Mathias Enard. Die in Westfrankreich angesiedelte Geschichte erstreckt sich über mehrere Jahrhunderte. Dabei ist der Clou, dass die Seelen der Figuren durch das „Große Rad“ miteinander verbunden sind und permanent als neue Lebewesen wiedergeboren werden. Als beispielsweise der Besitzer des Dorfcafés stirbt, geht seine Seele auf einen Igel über. Dieser wird überfahren und die Seele wandert weiter in eine Bettwanze, die sich am Blut des auf der Durchreise befindlichen Napoleon Bonaparte gütlich tut. Und so fort. Erzählt ist das alles meisterlich, und Enard hat über das Deux-Sèvres und die umliegenden Départments anscheinend so ziemlich alles gelesen, was je über sie geschrieben wurde. Mir war schon auch klar, dass in dem Roman vermutlich viel gestorben wird – aber auf gefühlt jeder zweiten Seite und auf derart grässliche Arten und Weisen, genüsslich bis ins Detail beschrieben?! Ich fand das Buch furchtbar und konnte es beim besten Willen nicht zu Ende lesen. Allenfalls etwas für ganz Hartgesottene!

Enttäuschung Nummer zwei habe ich zu Ende gelesen, war aber hinterher ähnlich unzufrieden. Die einsame Bodybuilderin ist eine Sammlung von Kurzgeschichten aus der Feder der in Japan sehr erfolgreichen Autorin Yukiko Motoya. In den Episoden geht es um scheinbar durchschnittliche Menschen und ihren Alltag, wobei sich die Handlung früher oder später immer ins Absurde verkehrt. Eine Ehefrau beginnt zum Beispiel, sich in ihren Mann zu verwandeln, wohingegen er seinen Menschenkörper verliert und plötzlich eine Pfingstrose wird. Recht speziell, genau. Über so was kann man bestimmt wunderbare Textanalysen schreiben, aber als Freizeitlektüre hat es mir definitiv nicht getaugt.

Kate Atkinson: Weiter Himmel (DuMont)

Rezension von Julia Hartel

Haarsträubend real

So viel vorweg

Kate Atkinson ist eine der bekanntesten britischen Schriftstellerinnen unserer Tage; trotzdem kannte ich von ihr bisher mit Die Unvollendete erst ein einziges Buch. Ihr zuletzt veröffentlichter Roman Weiter Himmel bildet den neuesten Teil ihrer Reihe um den Privatdetektiv Jackson Brodie – und ist irgendwie so ganz anders, als ich erwartet hatte.

Worum geht’s?

Um Mädchenhandel hinter der glänzenden Fassade angepassten Bürgertums. Die wichtigsten Akteure sind drei scheinbar anständige Männer, die mit ihren Familien an der malerischen englischen Ostküste leben und sich regelmäßig zu einer gepflegten Golfpartie in ihrem Club treffen. Von ihren verbrecherischen Nebentätigkeiten ahnt lange Zeit niemand etwas, bis in ihrem Bekanntenkreis ein Mord geschieht und die Polizei doch neugierig wird. Bald stellt sich heraus, dass das Geschäft der drei vor Ort eine bereits jahrzehntealte Geschichte hat, wobei ihre Vorgänger erst zum Teil gefasst und verurteilt wurden.

Der erwähnte Jackson Brodie spielt, obwohl er mit der ganzen Sache eher zufällig in Kontakt kommt, innerhalb der Ermittlungen natürlich bald eine entscheidende Rolle. Erzählt wird jedoch nicht nur aus seiner Perspektive. Vielmehr haben wir es mit extrem vielen Handlungssträngen und Charakteren zu tun, sodass es teilweise gar nicht so einfach ist, den Überblick zu behalten, wer nun wie womit und mit wem zusammenhängt.

Stilistisches et cetera

Kate Atkinson hat ganz offensichtlich eine Vorliebe für Klammern! Jedenfalls verwendet sie überdurchschnittlich häufig welche, um die Handlung mit in der Vergangenheit liegenden kurzen Dialogen, Gedanken von Figuren oder sonstigen Zusatzinformationen anzureichern:

Jackson selbst war einmal tot gewesen. Er war bei einem Zugunglück verletzt worden, und sein Herz hatte ausgesetzt. (»Kurz«, hatte der Arzt in der Notaufnahme gesagt – etwas herablassend Jacksons Ansicht nach.)

(S. 80)

Dieses „Geklammer“, das übrigens in Die Unvollendete ebenfalls zu finden ist, mag vielleicht ganz kurz gewöhnungsbedürftig sein, aber erstaunlicherweise stört es den Fluss von Atkinsons schnörkellos formulierten Sätzen weniger, als man meinen könnte. Und nicht zuletzt ist eine solche Eigenart natürlich auch etwas sehr Charakteristisches.

Beeindruckt hat mich die Erzähltechnik: Hier liegt die Besonderheit darin, dass Szenen gern mehrmals – und zwar aus unterschiedlichen Blickwinkeln – geschildert werden. Dadurch wird Spannung erzeugt: Man will doch wissen, wie es weitergeht! Stattdessen schubst einen die Autorin immer wieder einen Schritt rückwärts! Vor allem jedoch wird das Erzählte auf diese Weise mehrdimensionaler: Wenn man eine Situation sozusagen noch einmal aus einer anderen „Kameraperspektive“ sehen kann, werden plötzlich ganz neue Details erkennbar. Ein richtig guter Effekt!

Was ist noch toll – und was weniger?

Indem sie das Thema Mädchenhandel aufgreift, verarbeitet Atkinson nicht irgendwelche fiktiven Ideen, sondern weist auf eine haarsträubende Realität hin. Insofern fühlt sich ihre Geschichte wesentlich aktueller und relevanter an als so manch anderer Krimi-Plot – obwohl ich bekennen muss, dass ich mich als Leserin hinsichtlich solcher Verbrechen trotzdem machtlos fühle. Gerade in Anbetracht der Wahrscheinlichkeit, dass die Handelnden nach außen hin ein tadelloses Leben führen.

Wirklich kritisieren würde ich an dem Roman aber eigentlich nur die bereits angesprochene Menge an Handlungssträngen. Hier hätte man meines Erachtens durchaus noch etwas ausdünnen und dafür stärker in die Psyche einzelner Charaktere eintauchen können: Was in aller Welt kann einen denkenden Menschen dazu bringen, seinesgleichen wie einen Verkaufsgegenstand zu behandeln?! Die Männer in Weiter Himmel sind gewissenlos und gierig und hatten offenbar das, was man gemeinhin eine „schlechte Kindheit“ nennt. Aber muss da nicht noch mehr dahinterstecken? Das hätte ich gern genauer erfahren.

Alles in allem ist Atkinsons neuestes Werk – entgegen meiner Erwartung – nicht ganz so kreativ und besonders wie ihr Roman Die Unvollendete, der zudem aus meiner Sicht deutlich differenzierter gezeichnete Figuren präsentiert. Dennoch konnte mich Weiter Himmel in Anbetracht der cleveren Erzähltechnik und des ernsten Kernthemas insgesamt überzeugen.

Wem gefällt’s?

Ich wage zu behaupten, dass das Buch so ziemlich allen Fans gut erzählter Krimis gefallen müsste (sofern es auch mal ein paar Seiten mehr sein dürfen – 475 in diesem Fall ;)). Außerdem dürften sich viele von der Tatsache angesprochen fühlen, dass der Roman ohne allzu drastische Gewaltszenen auskommt.

[Vielen Dank an den DuMont Buchverlag für das Rezensionsexemplar!]

Juli Zeh: Über Menschen (Luchterhand)

Rezension von Julia Hartel

Rückblick auf die Gegenwart

Juli Zeh: Über Menschen

So viel vorweg

Dass ich Juli Zeh mag, hat mehrere Gründe. Der Hauptgrund ist wahrscheinlich: Man weiß immer von der ersten Seite an, dass etwas Krasses passieren wird. Selbst hinter der ausführlichsten Rückblende lauert die Story, hält das Hirn in Alarmbereitschaft und lässt in Bezug auf den Ausgang absolut keine Gewissheiten aufkommen. So auch in Über Menschen.

Worum geht’s?

Deutschland im Frühling 2020. Werbetexterin Dora hat es mit ihrem Freund Robert in der gemeinsamen Berliner Wohnung nicht mehr ausgehalten. Schon vor einigen Monaten hat sie sich still und heimlich in der brandenburgischen Provinz ein altes Gutsverwalterhaus mit riesigem Grundstück gekauft. Als aus dem fanatischen Klimaschützer Robert auch noch ein ebenso fanatischer „Corona-Polizist“ geworden ist, hat sie ihre sieben Sachen und ihre Hündin Jochen [sic! :-D] zusammengepackt und ist umgezogen.

Allerdings will sich auch in der ländlichen Idylle des fiktiven Dörfchens Bracken keine Entspannung einstellen. Das hat nicht zuletzt mit Doras neuem Nachbarn Gottfried Proksch zu tun, der sich ihr mit den Worten „Ich bin hier der Dorf-Nazi“ vorstellt. Was genau sich zwischen den beiden entwickelt, sollten Interessierte unbedingt selbst lesen, aber so viel sei schon mal verraten: Eine romantische „Boy meets Girl“-Geschichte ist es nicht.

Stilistisches et cetera

In sprachlicher Hinsicht bleibt Zeh dem Stil ihrer letzten Werke treu: Der Ausdruck ist klar, jedes Wort sitzt am rechten Platz, keine Unebenheit stört den Lesefluss. Ich war wieder sofort mitten im Geschehen und konnte nur staunen, wie schnell mir die ungelesenen Seiten dünn wurden.

Sprachbilder werden sorgfältig dosiert; häufig sind sie in Naturbeschreibungen anzutreffen:

In schrägen Balken lehnt das Licht an den Kiefern; ein Greifvogel segelt lautlos zwischen den Stämmen. Es raunt und wispert. Zauberwesen.

(S. 165)

In vollen Zügen genossen habe ich Dialoge wie diesen:

»Gote«, sagt der Nachbar.
Irritiert schaut Dora zur Straße, ob sich irgendetwas nähert, das diese Bezeichnung verdient.
»Gote«, wiederholt der Nachbar nachdrücklich, als wäre Dora schwerhörig oder jedenfalls schwer von Begriff. (…)
»Westgote oder Ostgote?«, fragt Dora.
»Gote«, sagt er noch einmal. »Wie Gottfried.«
Ein bisschen fühlt sich das an wie die Kommunikation zwischen Robinson und Freitag, nur ohne zu wissen, wer Robinson und wer Freitag ist. Auch Dora hebt einen Zeigefinger und deutet auf sich selbst.
»Dora«, sagt sie. »Wie Dorf-Randlage.«

(S. 44)

Dora ist als Figur überhaupt ausgesprochen gut gelungen. Ihr Humor, ihr beständiges nervöses Reflektieren, ihr Streben nach Autonomie, ihre Zerrissenheit, ihre Sehnsucht nach Spiritualität, ihr Abscheu gegen Rechtsextremismus, ihre Suche nach Wahrheiten und die plötzliche Klarheit, mit der sie manche Dinge sieht – all das wird sehr glaubwürdig vermittelt, sodass es leichtfällt, sich mit ihr zu identifizieren. In vielem, was Zeh sie über Politik, die Gesellschaft und das Leben denken lässt, kann ich ihr nur zustimmen.

Warum noch toll?

So harmonisch und mühelos sich die Wörter und Sätze ineinanderfügen, so herausfordernd ist ihr Inhalt – auch bei diesem Prinzip bleibt sich die Autorin treu. Ohne Scheuklappen wird herausgearbeitet, wie kompliziert die Welt ist und wie schwer sich vor allem definieren lässt, wie man denn nun eigentlich „richtig“ handelt. Letztlich erweist sich die Menschlichkeit als Antwort auf viele Fragen. Eine der Schlüsselstellen für mich: Doras Erkenntnis, dass die Aussage „Ich bin besser als du“ die Wurzel allen Übels darstellt. Und zwar auch dann, wenn eine Linksliberale sie an einen Nazi richtet.

Doch noch ein Kritikpunkt …

Im Roman tauchen so ziemlich alle Aspekte und Begriffe auf, die im Zusammenhang mit Corona durch die Medien gegangen sind. Zwischendurch kam mir das etwas angestrengt vor, so als wäre beim Schreiben eine Art Checkliste abgehakt worden, um wirklich eine vollständige Chronik zu produzieren. Besonders die alleinerziehende und entsprechend erschöpfte Mutter Sadie wirkte auf mich wie einem Porträt auf Spiegel online entsprungen; hier hätte ich mir mehr Juli-Zeh-typischen Einfallsreichtum gewünscht. Aber vielleicht ist in dieser Hinsicht nur die zeitliche Nähe das Problem. Mit ein paar Jahren Abstand wird man vermutlich ein Schlagwort wie „Notbetreuung“ lesen und denken: „Ach ja, so war das damals! Gut, dass das jemand aufgeschrieben hat.“ 😉

Wem gefällt’s?

Allen, die es interessiert, wie zeitgenössische Literaturschaffende aktuelle Probleme künstlerisch verarbeiten. Juli-Zeh-Fans werden Über Menschen sowieso kennenlernen wollen. Wer unsere Corona-Gegenwart im Moment als große Belastung empfindet, sollte aber besser noch etwas mit der Lektüre warten – und das Buch eines Tages als echten Rückblick lesen.

[Vielen Dank an Penguin Random House für das Rezensionsexemplar!]

Matt Haig: Die Mitternachtsbibliothek (Droemer)

Was wäre, wenn …?

Rezension von Julia Hartel

Matt Haig: Die Mitternachtsbibliothek (Droemer)

So viel vorweg

Ich hätte diese Neuerscheinung so gerne in den höchsten Tönen gelobt! Der poetische Titel und der Klappentext haben mich sofort angesprochen. Leider wusste ich beim Lesen von einem viel zu frühen Zeitpunkt an, wie das Ganze ausgehen würde. Insofern mag Die Mitternachtsbibliothek ein kluger Roman sein, in dem viel Gutes steckt – so richtig begeistern konnte er mich aber nicht.

Worum geht’s?

Nora Seed ist kreuzunglücklich mit ihrem Leben. Sie hat das Gefühl, ausschließlich falsche Entscheidungen getroffen zu haben, und sieht keine Zukunftsperspektive mehr. Mit einer Überdosis Tabletten im Magen – und somit quasi auf dem Weg ins Jenseits – gelangt sie in eine Bibliothek, in der die Zeiger immer auf Mitternacht stehen. In dieser Zwischenwelt befinden sich unendlich viele Bücher: allesamt alternative Versionen von Noras Leben, die aufgrund unterschiedlicher Entscheidungen auch jeweils völlig unterschiedlich verlaufen. Nora kann so viele dieser Lebenswege ausprobieren, wie sie möchte – mit der Option, in einem der Paralleluniversen zu bleiben und endlich glücklich zu werden.

Stilistisches et cetera

Haigs Schreibe ist leicht und anschaulich, die Geschichte durchaus einfallsreich und flüssig zu lesen. Es gibt – passend zum Thema – melancholische, aber auch ein paar witzige Stellen. Die oft relativ kurzen, teils sehr kurzen Kapitel ergeben eine mustergültig aufgebaute, klassische „Hero’s Journey“: Während ihrer Heldinnenreise muss Nora konfliktträchtige Situationen bestehen und macht eine Entwicklung durch. So weit, so vorbildlich.

Wären da nicht die Minuspunkte. Das eine Problem ist die oben angesprochene Vorhersehbarkeit. Irgendwie läuft, Heldinnenreise hin oder her, insgesamt alles zu glatt, und es passiert kaum etwas Überraschendes. Vielleicht kenne ich schlichtweg doch schon zu viele Bücher, Filme und Serien, in denen die Idee „Gleiche Zeitspanne –> verschiedene Entscheidungen –> immer anderer Verlauf“ bzw. das Motiv „Paralleluniversen“ vorkommt (zwei von vielen Beispielen wären Die Unvollendete von Kate Atkinson, die ich hier zuletzt kurz erwähnt hatte, oder der Netflix-Knaller Dark). Zum anderen hat das Buch einen gewissen „therapeutischen Touch“. Und das will ich absolut nicht ins Lächerliche ziehen! Man spürt nämlich genau, dass der Autor in der Geschichte viele persönliche Einsichten verarbeitet, die ihm wichtig sind. Und wenn da solche Sachen stehen wie:

„Aber es gibt kein Leben, in dem man immer nur glücklich ist. Und wenn man sich ausmalt, es gebe so ein Leben, wird man im eigenen Leben nur umso unglücklicher“ (S. 204),

… dann ist das bestimmt wahr und richtig. Nur klingt es mir einfach zu wenig nach Roman und dafür zu sehr nach einem Ratgeber aus dem „Lebenshilfe“-Regal in der Buchhandlung.

Warum trotzdem auch toll?

Weil es etliche kleinere Ausflüge in die Philosophie und in die Quantenphysik gibt: Außer Henry David Thoreau – Noras Lieblingsphilosophen – und Erwin Schrödinger werden auch Aristoteles, Nietzsche, Camus und ein paar andere gestreift, es fallen Begriffe wie „Stringtheorie“ und „Gestaltpsychologie“. Das ist wirklich interessant, zumal Haig es schafft, die oft komplizierten Sachverhalte allgemein verständlich wiederzugeben.

Wie viel Herzblut er in den Roman investiert hat, merkt man außerdem an einigen charmanten Details. Beispielsweise beschreibt er ganz überzeugend Noras jeweiliges Körpergefühl in den einzelnen Leben: Im einen ist sie völlig untrainiert, in einem anderen besteht sie nur aus Muskeln. Lustig fand ich auch die Einfälle, sie in einem Leben nichts als Toast essen zu lassen und das Musikgeschäft, das in mehreren Episoden vorkommt, ausgerechnet „String Theory“ zu nennen. 😉

Wem gefällt’s?

Die Mitternachtsbibliothek könnte Menschen, die viel hadern und ständig in der Angst leben, etwas verpasst zu haben, hilfreiche Impulse bieten. Wer hingegen Romane bevorzugt, in denen experimentiert, mit Erwartungen gespielt und an der einen oder anderen Stelle mit Schreibkonventionen gebrochen wird, wäre wohl eher enttäuscht.

[Vielen Dank an den Droemer Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars!]

„Welches Buch könnte ich lesen?“

Zehn Buchempfehlungen zum ersten Blog-Geburtstag

Vor genau einem Jahr habe ich die ersten beiden Beiträge in meinen damals frisch eingerichteten Buchblog geladen. Aus diesem Anlass möchte ich heute Verschiedenes nicht tun:

  • auf mehr oder weniger subtile Weise andeuten, dass Huldigungen angebracht wären,
  • mich in Selbstbeweihräucherung ergehen,
  • meine geneigten Leserinnen und Leser mit Zwischenbilanzen oder gar Sentimentalitäten wie Dankesworten langweilen,
  • meinen Beitrag mit irgendeinem verschwenderisch garnierten Muffin bebildern, in dem eine brennende Kerze steckt. 😉

Stattdessen möchte ich einlösen, was ich in meinem allerersten Posting eigentlich angekündigt hatte (und wovon ich im Lauf der Zeit zugunsten der ausschließlichen Besprechung von Neuerscheinungen abgekommen war): weitere lesenswerte Bücher der letzten Jahre vorstellen!

Hierfür habe ich zehn Romane ausgewählt, die besonders starken Eindruck bei mir hinterlassen haben, und sie einfach nach Titelnamen alphabetisch sortiert. Vielleicht findet der eine oder die andere auf diese Weise ja noch Inspiration für die nächste Buchbestellung. Viel Vergnügen beim Stöbern!

Raphaela Edelbauer: Das flüssige Land (Klett-Cotta)
Das fiktive Dorf Groß-Einland ist die perfekte Idylle – jedenfalls scheinbar. Denn unter der Siedlung befindet sich ein gigantischer Hohlraum, ein „Loch“, das immer mehr Gebäude und Straßen verschlingt. All das ist freilich nur eine Parabel. Im Kern verhandelt der Roman Fragen kollektiver und individueller Schuld sowie die Unmöglichkeit von Verdrängung. Beklemmend, einfallsreich und klug.

Der Distelfink von Donna Tartt

Donna Tartt: Der Distelfink (Goldmann)
Als 13-Jähriger überlebt Theo Decker einen Terroranschlag auf ein New Yorker Museum. Dabei gelangt das Gemälde „Der Distelfink“ von Carel Fabritius (1654) in seinen Besitz, das ihn fortan durchs Leben begleitet. Selten habe ich so mit einem (ziemlich tragischen) Romanhelden mitgefiebert und mitgelitten. Ein großartiges Buch mit Weltliteraturpotenzial.

Der unglaubliche Sommer des Tom Ditto von Danny Wallace

Danny Wallace: Der unglaubliche Sommer des Tom Ditto (Heyne)
Etwas leichtere Lektüre, aber auch nicht ganz ohne Tiefgang: Radiomoderator Tom Adoyo gerät in eine ungewöhnliche Selbsthilfegruppe hinein, deren Mitglieder fremde Identitäten kopieren. Obwohl Tom die Idee völlig verrückt erscheint, lässt er sich darauf ein und findet dadurch letztlich zu sich selbst. Zum Lachen und Nachdenken.

John Ironmonger: Der Wal und das Ende der Welt (S. Fischer)
Was wäre, wenn eine Pandemie unseren Planeten durchschütteln würde??!! Der bereits 2015 unter dem Originaltitel Not Forgetting the Whale veröffentlichte Roman von John Ironmonger entwirft hierfür ein Szenario, das sich auch ohne den heute möglichen Realitätsabgleich ungeheuer spannend läse. Gänsehautgarantie!

Anita Augustin: Der Zwerg reinigt den Kittel (Ullstein)
Vier alte Damen fassen einen vermeintlich genialen Plan: Sie ziehen in eine Seniorenresidenz, beantragen Pflegestufe zwei und geben vor, auf Rundumversorgung angewiesen zu sein. Zahlen soll die Krankenkasse. Bedauerlicherweise geht die Rechnung nicht so ganz auf. Ein Buch für Leute, die es humortechnisch bisweilen etwas abgründiger mögen.

Kate Atkinson: Die Unvollendete (Droemer Knaur)
Ursula Todd stirbt und lebt anschließend ihr Leben von vorne – immer und immer wieder, aber jedes Mal ein bisschen anders. Das ist so anstrengend, wie es klingt, doch es hat auch einen ganz bestimmten Sinn und Zweck. Eine Geschichte, die mich von den ersten Seiten an gepackt hat und immer noch in mir nachhallt.

Kathrin Schmidt: Du stirbst nicht (KiWi)
Nach einer plötzlichen Hirnblutung kämpft sich die Schriftstellerin Helene Wesendahl ins Leben zurück. Allerdings war dieses Leben schon vorher einigermaßen kompliziert … Ein sehr berührender und sprachlich ausgezeichneter Roman, in dem auch Sprache selbst eines der Kernthemen bildet.

Mariana Leky: Erste Hilfe (Dumont)
Erste Hilfe ist der Debütroman von Mariana Leky, die zu meinen Lieblingsautorinnen gehört. Es geht darin um Freundschaft, um Liebe und um das Leben, aber das eigentlich Tolle ist sowieso Lekys Schreibstil. Wenn Was man von hier aus sehen kann nicht noch viel zauberhafter wäre, dann wäre vermutlich dieser Titel hier mein Dauerfavorit. 🙂

Juli Zeh: Unterleuten (btb)
Vielleicht hat manch jemand die Verfilmung bereits gesehen; ich selbst wollte lieber meine eigenen Bilder von Unterleuten und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern im Kopf behalten. Deren Interaktionen und das komplizierte Beziehungsgeflecht, in dem sie stecken, haben mich beim Lesen in Atem gehalten. Und dann dieser Schluss! Juli Zeh ist eine ganz Große.

Katharina Hagena: Vom Schlafen und Verschwinden (KiWi)
Eine Schlafforscherin, die nicht schlafen kann, ein Renaissance-Chor und ein düsteres Geheimnis – Katharina Hagena ist schon auch so ein Darling von mir 🙂 (siehe Das Geräusch des Lichts). Besonders ihr anmutig-schwermütiger Schreibstil mit den vielen Wortspielen hat es mir angetan. Eines der Bücher, die man gern öfter als einmal liest.

Joachim B. Schmidt: Kalmann (Diogenes)

Der beste Gammelhai in ganz Island

Rezension von Julia Hartel

„Kalmann“ von Joachim B. Schmidt

So viel vorweg

Vor einigen Jahren hatte ich eine ausgeprägte „Krimi-Phase“. Meine Lieblinge damals: Simon Beckett, Henning Mankell und Peter James. Im Laufe der Zeit (das ist mir gerade bei der Beschäftigung mit der Thriller-Anthologie für den letzten Post wieder klar geworden) hat sich mein Geschmack in diesem Bereich jedoch eindeutig verändert: sozusagen weg von „klassisch“ hin zu „anders/besonders“.

Aus diesem Grund hat mich Kalmann sehr begeistert. Das Buch ist im Hinblick auf die Kernhandlung ein Krimi, trägt aber klugerweise die Bezeichnung „Roman“. Denn so gut und spannend der Krimi-Plot gestrickt ist – in der Geschichte steckt noch viel mehr. Und sie ist ziemlich „anders“!

Worum geht’s?

Kalmann Óðinsson, Haifischfänger und Jäger aus dem isländischen Dorf Raufarhöfn, findet in der Nähe des Freiluftkunstwerks Arctic Henge eine Blutlache im Schnee. Recht schnell wird klar, dass das Blut zu Róbert McKenzie gehört, der das örtliche Hotel sowie sämtliche Fischfangquoten besitzt und seit Kurzem vermisst wird. Bald wimmelt es im Dorf von Polizisten und Suchtrupps – was könnte Róbert zugestoßen sein?

Kalmann, auch „Kalli“ genannt, bereitet die ganze Sache gewaltigen Stress. Ihm ist es lieber, wenn die Dinge ihren gewohnten Gang gehen. In Raufarhöfn hat er seinen Platz, obwohl manche Menschen in ihm den „behinderten Dorftrottel“ sehen. Er weiß, dass er nicht so ist wie die meisten Leute. Aber er macht den besten Gammelhai im ganzen Land, und er kann eine genaue Karte Islands aus dem Kopf zeichnen! Außerdem hat er sich all die wichtigen Dinge gemerkt, die ihm sein Großvater über das Leben und die Jagd beigebracht hat. Ab und an ist er allerdings „irgendwie nicht ganz bei der Sache“ und ein bisschen vergesslich. Und so fragen sich nicht nur die Ermittlerin Birna und das Lesepublikum, ob die Blutlache wirklich alles war, was Kalli gesehen hat – sondern er fragt es sich auch hin und wieder selbst.

Stilistisches et cetera

Joachim B. Schmidt lässt seinen knapp 34-jährigen Helden und Ich-Erzähler zumeist relativ einfache Worte wählen:

Draußen kam ein mordsmäßiger Jeep mit Reifen so groß wie Erstklässler angebraust und hielt schaukelnd neben uns an.

(S. 85)

Manche Formulierungen sind einfach nur köstlich:

Und plötzlich erschien ich auf dem Fernsehbildschirm (…), und ich war gar nicht zufrieden. Ich guckte richtig bescheuert, als hätte ich ein warmes Spiegelei unterm Hut, und man sah auch, dass ich nicht gut drauf war, völlig genervt, misstrauisch.

(S. 125)

Nicht selten sind Kallis scheinbar schlichte Gedanken von größerer Schönheit und Weisheit als alle Äußerungen der „normalen“ Bewohner Raufarhöfns zusammen:

…, denn wir Menschen sind doch irgendwie alle gleich und gar nicht so verschieden, wie man glaubt.

(S. 330)

Der umgangssprachliche Ton findet sich freilich nicht auf allen rund 350 Seiten. Vielmehr gibt Kalmann beispielsweise in perfekter indirekter Rede Gesprächsinhalte wieder, verwendet Fremdwörter usw. Streng genommen sind solche Brüche in stilistischer Hinsicht ja nicht 100-prozentig konsequent, doch wahrscheinlich würde die Lesefreude ab irgendeinem Punkt nachlassen, hätte Schmidt die simple Ausdrucksweise von Anfang bis Ende durchgezogen.

Dass die Story so spannend daherkommt, ist übrigens fast etwas erstaunlich. Das Erzähltempo ist nämlich vergleichsweise langsam und es gibt viele Rückblenden, in denen Kalli die oft erniedrigenden Erfahrungen seiner Kindheit und Jugend, aber auch die liebevolle Beziehung zu seinem inzwischen teilweise dementen Großvater reflektiert. Die Überraschungsmomente sind wohl einfach clever platziert. Unter anderem erschrickt man immer mal wieder, wenn Kalli, der meist so sanftmütig wirkt, plötzlich doch seine Wut nicht mehr im Griff hat. Ausgesprochen geschickt, wie der Autor so den Verdachtsfunken im Lesergehirn am Glimmen hält …

Warum noch toll?

Ich kenne Island bisher leider nur vom Flugzeugfenster aus. Trotzdem glaube ich, dass Schmidt (der als gebürtiger Schweizer 2007 nach Island ausgewandert ist) ein überaus realitätsnahes Bild der Handlungsschauplätze zeichnet. Jedenfalls beschreibt Kalmann sein Dörfchen und dessen Architektur, die es umgebende Landschaft, die Wetter- und Lichtverhältnisse und nicht zuletzt das Meer so anschaulich, dass ich beim Lesen ein ungewöhnlich starkes Gefühl hatte, mit vor Ort zu sein.

Und dann ist da noch das oben angesprochene „Mehr“, das in Kalmann steckt und das in der Verarbeitung wichtiger Fragen besteht, zum Beispiel: Wie lässt sich der Benachteiligung von auf dem Land lebenden Menschen entgegenwirken (die sich im konkreten Fall in einer ungerechten Verteilung von Fischfangquoten äußert)? Und vor allem: Wie gehen wir, nicht zuletzt im Bildungsbereich, mit Personen mit Handicap um?

Wem gefällt’s?

Das ist in Bezug auf Kalmann gar nicht so leicht zu beantworten. Mir ist, selbst nach längerem Überlegen, kein Buch eingefallen, in dem man einen vergleichbaren Schreibstil in Kombination mit einem solchen Plot vorfinden könnte. Der Roman ist in der Tat etwas Besonderes. Aber eins ist klar: Wer Island mag, sollte ihn definitiv lesen. 🙂

[Vielen Dank an die Diogenes Verlag AG für die Zusendung des Rezensionsexemplars!]

Sebastian Fitzek (Hg.): Identität 1142 (Droemer Knaur)

Viele Handys für einen guten Zweck

Rezension von Julia Hartel

Sebastian Fitzek (Hg.): Identität 1142

So viel vorweg

Dass kreative Betätigung dem Menschen gerade in schwierigen Zeiten gut bekommt, ist keine Neuigkeit. Ganz in diesem Sinne entwickelte der gefeierte Thriller-Autor Sebastian Fitzek die Idee, den ersten Corona-Lockdown 2020 für ein besonderes Projekt zu nutzen. Ende März lud er Schreibbegeisterte via Social Media (#wirschreibenzuhause) zu einem Wettbewerb ein. Die Aufgabe bestand darin, Kurzkrimis zu verfassen, die dann in einem gemeinsamen Band veröffentlicht werden sollten.

Eingereicht wurden unglaubliche 1.142 Geschichten, aus denen eine 30-köpfige Jury die 12 gelungensten auswählte. Mehrere etablierte Autorinnen und Autoren ergänzten die Sammlung honorarfrei um weitere Texte, sodass Identität 1142 nun 23 Short-Thriller enthält. Sämtliche Gewinne aus dem Verkauf gehen an das Sozialwerk des Deutschen Buchhandels e. V.

Worum geht’s?

Das verbindende Thema, auf das sich die gesamte Schreibgemeinschaft festlegte, lautet „Identität“. Die (bisher noch) nicht prominenten Talente verständigten sich zusätzlich auf einige weitere Motive: In den Geschichten sollte es jeweils um ein fremdes Handy gehen – und zwar nebst Fotos der Finderin bzw. des Finders im Speicher –, außerdem um ein dunkles Geheimnis sowie um Rache aus altem Schmerz.

Im Detail wurden diese inhaltlichen Vorgaben tatsächlich sehr verschieden umgesetzt. So spinnt beispielsweise Livia Fröhlich in Das Geschenk ein Ehedrama um die genannten Kernelemente, während bei Vanessa Krypczyk in Thomas die gutbürgerliche Fassade einer ehemaligen Auftragsmörderin zum Einsturz gebracht wird. Saskia Hehl begibt sich unter dem Titel Aufgelöst ins rechtsradikale Milieu, Durchleuchtet von Ursula Poznanski spielt in einem einsamen, gruseligen Krankenzimmer.

Unterm Strich kommen in Identität 1142 ziemlich viele Handys und, wenn ich ganz ehrlich bin, auch ein paar klitzekleine Logikschwächen zusammen. 😉 Aber ich kann wirklich sagen, dass die meisten Plot-Ideen super sind und dass praktisch alle Storys gegen Ende mit einer überraschenden Wendung aufwarten (was für mich immer ein großer Pluspunkt ist).

Stilistisches et cetera

Wie bei einer Anthologie kaum anders möglich, geht es in Sachen Stil kunterbunt zu. Relativ häufig trifft man natürlich auf eine „krimitypische“ Ausdrucksweise, die sich durch Schnörkellosigkeit und kurze Sätze auszeichnet:

Markus runzelte die Stirn. Die Batterie war noch fast voll. Und es gab keine Sperre. Nichts. Er sah durch die Liste der Apps. Das Handy musste neu aufgesetzt worden sein. (…) Und das Adressbuch war leer. Als er jedoch die Galerie-App öffnete, stockte ihm der Atem. Alles verlangsamte sich. Er starrte für einige Sekunden auf das Foto.

Mordechai Simons: Geburtstag in der Hölle (S. 161)

Manchmal geht es auch experimenteller zu, wie etwa hier:

Die populärste aller Märchenfiguren (…) dachte noch nicht einmal daran, dass Handys noch gar nicht existieren durften, ehe sie bereits nach dem wunderschön glänzenden Gegenstand gegriffen hatte. Die dicklichen Fingerchen hielten das schwarze Gerät ehrfürchtig, als wäre es eine Trophäe, auf die Rotkäppchen schon lange gewartet hatte.

Pia Schmidt: Ich bin Rotkäppchen (S. 182)

Und einzelne Beispiele fallen – im allerpositivsten Sinne – gestalterisch völlig aus dem Rahmen:

Der Tod entdeckte eines Tages, dass er zu lange geruht hatte. Aufgeregt eilte er hinaus in die Welt, um Menschen zu mähen. Doch die Menschen beschäftigten sich mit Gentechnologie und wollten nicht mehr sterben. (…) Nach einer Weile sah er einen Witz am Wegesrand sitzen und bittere Tränen vergießen. Da hatte er ja den rechten Gefährten gefunden. So saßen sie bald beisammen und überboten sich gegenseitig in der Tiefe ihrer Seufzer.

Frank Schätzing: Der Witz und der Tod (S. 176)

Für den einen oder die andere stecken in manchen Passagen womöglich etwas zu viel Grusel, Blut und Wahnsinn – wir haben es eben mit Short-Thrillern zu tun. Doch der Vielfalt sei Dank muss man ja in so einem Fall einfach nur zur nächsten Geschichte weiterblättern. Auch mich konnten nicht alle Storys gleichermaßen packen. Trotzdem konnte ich für mich ziemlich schnell drei klare Favoriten definieren …

Welche Geschichten sind am besten gelungen?

Recht weit oben (quasi auf Platz drei) rangiert für mich Entlang der goldenen Ähren von Robert Hönatsch, da hier die Figuren sehr überzeugend ausgearbeitet sind, wodurch die Story an Ernst und Tiefgang gewinnt. Außerdem wird darin auf eher subtile denn gewalttätige – dadurch allerdings nicht unbedingt weniger grausame – Weise Rache genommen.

Die „Silbermedaille“ würde ich dem Initiator und Herausgeber, Sebastian Fitzek, verleihen. In Niemand wird man nämlich dermaßen an der Nase herumgeführt, dass man sich fast schon ärgert, bis sich ganz am Ende alles noch mal um 180 Grad dreht! Der wahrscheinlich größte Pageturner der Sammlung.

Ausgezeichnet gefallen hat mir die Geschichte Pauls Begleiter oder Dr. Wundersitz und die nicht sehr nette Helga von Vincent Kliesch: Sie ist überaus gewandt geschrieben (wie die anderen beiden übrigens auch), auf makabre Art witzig und intelligent, steckt voller guter Ideen und bietet ebenfalls eine (fiese) Überraschung zum Schluss. Von diesem Herrn Kliesch muss ich mir definitiv mal was Längeres zum Lesen besorgen!

Wem gefällt’s?

Das ist im Falle von Identität 1142 relativ leicht zu beantworten: Fans von Thrillern! Alle, die es reizt, neben talentierten Neulingen gleich auch mehrere große Namen des Genres zwischen zwei Buchdeckeln versammelt vorzufinden (außer den bereits genannten sind auch noch Charlotte Link, Romy Hausmann und andere vertreten), sollten zuschlagen. Zumal dann, wenn sie einen guten Zweck unterstützen möchten.

[Vielen Dank an die Verlagsgruppe Droemer Knaur für die Zusendung des Rezensionsexemplars!]

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